Spotlight ITBO: überfachliche Kompetenzen

Spotlight ITBO:

Überfachliche Kompetenzen

Projektziele und Hintergrund

Es werden praxisnahe Materialien und digitale Tools entwickelt, um Lehrpersonen dabei zu unterstützt, überfachliche Kompetenzen ihrer Schüler:innen im Schulalltag systematisch und mit möglichst geringem Zusatzwand zu erfassen und zu fördern.

Die fortschreitende Digitalisierung verändert nicht nur fachliche und berufliche Anforderungen. Sie wirkt sich auch stark auf persönliche und soziale Fähigkeiten aus. In einer global vernetzten Arbeitswelt gewinnen überfachliche Kompetenzen wie Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit stetig a n Bedeutung. Gleichzeitig besteht die Gefahr, dass diese Fähigkeiten durch veränderte Sozial- und Kommunikationsformen – etwa verstärkte Bildschirmnutzung und sinkende face-to-face-Interaktionen – vernachlässigt werden.

Quick Facts

Schlüsselwörter

Überfachliche Kompetenzen, Lehrplan Volksschule, Erfassung und Förderung, digitale Anwendungsumgebung

Projektteam

Thomas Rey, Projektleitung

Ann Christin Hochweber

Daniela Dütsch

Robert Hilbe

Mitglieder aus der Schulpraxis und deren Begleitschule

Projektübersicht

Im Rahmen dieses Projekts werden für den Zyklus 2 und 3 deshalb:

ein Instrument entwickelt, das die im Lehrplan Volksschule aufgeführten personalen, sozialen und methodischen Kompetenzen mit Hilfe eines Einschätzungsraster erfasst und Bezüge zum Arbeits-, Lern- und Sozialverhalten (ALSV) herstellt,

Unterrichtsaktivitäten entwickelt und in der Praxis erprobt, die gezielt den Aufbau und die Stärkung der sozialen Kompetenzen Dialog- und Kooperationsfähigkeit sowie Konfliktfähigkeit fördern und

Förderhub

Um die Bedürfnisse aus dem schulischen Feld zu berücksichtigen, ist die Zusammenarbeit mit der Schulpraxis ein zentraler Bestandteil. Daher wurde ein Förderhub gegründet, der gemeinsam mit dem Projektteam alle Materialien und Instrumente entwickelt und an St.Galler Begleitschulen in der Praxis testet. Der Förderhub setzt sich aus Klassen- und Fachlehrpersonen, schulischen Heilpädagog:innen und Schulleitungen aus insgesamt 8 Primar- und Sekundarschulen des Kantons St.Gallen zusammen. Die enge und produktive Zusammenarbeit mit der Schulpraxis zeichnet dieses Teilprojekt aus und gewährleistet dessen Praxisrelevanz und -tauglichkeit. Ein herzliches Dankeschön an alle Mitglieder und deren Begleitschulen unseres Förderhubs!

Alle Informationen zum Teilprojekt an einem Ort

Im Rahmen der Arbeiten im Teilprojekt 1b «Überfachliche Kompetenzen» wurden in den letzten Jahren viele wertvolle Erfahrungen und Erkenntnisse gewonnen. Die nachfolgenden Themen bieten eine detailliertere Darstellung zu den wichtigsten Meilensteinen des Projekts, den Mitarbeitenden im Projekt sowie weitere Einblicke in den Projektverlauf.

Ausgangslage im Kanton St.Gallen

Im Jahr 2021 wurde zu Projektstart eine grosse Online-Befragung zum Thema «Umgang mit den überfachlichen Kompetenzen in Schule und Unterricht» im Kanton St.Gallen durchgeführt. Insgesamt nahmen 695 Lehrpersonen und Schulleiter:innen aus 196 St.Galler Schulen teil. Ziel dieser Bestandsaufnahme war es, Informationen zu erhalten, wie Schulen mit «überfachlichen Kompetenzen» im Unterrichtsalltag umgehen und welche Bedürfnisse sie diesbezüglich äussern. Die so gesammelten Rückmeldungen aus der Praxis wurden in der Entwicklung der Instrumente, der Erstellung von unterrichtlichen Förderaktivitäten sowie der Gestaltung einer digitalen Anwendungsumgebung berücksichtigt.

Projektbestandteile

Instrument zur Erfassung aller überfachlicher Kompetenzen

Für die Einschätzung der überfachlichen Kompetenzen wurden zunächst alle im Lehrplan Volksschule verankerten Kann-Formulierungen analysiert. Durch das Zusammenfassen einzelner Indikatoren zu 19 Teilkompetenzen können somit in der Schulpraxis alle überfachlichen Kompetenzen zeitsparend erfasst werden. Das Instrument kann sowohl zur Fremdbeurteilung durch Lehrpersonen als auch von den Schüler:innen zur Selbstbeurteilung verwendet werden. Einschätzungen sind über mehrere Personen und unterschiedliche Zeitpunkte hinweg möglich. Zudem ist ein automatisierter Übertrag der überfachlichen Kompetenzenin das Arbeits-, Lern- und Sozialverhalten (ALSV) möglich. Das entwickelte Instrument wurde von den Mitgliedern des Förderhubs an deren Begleitschulen im Unterricht auf Verständlich- und Praxistauglichkeit evaluiert.

Unterrichtsaktivitäten zur Förderung bestimmter sozialer Kompetenzen

Für die gezielte Förderung der sozialen Kompetenzen Dialog- und Kooperationsfähigkeit sowie Konfliktfähigkeit wurden passend zu den Einschätzungsrastern unterrichtliche Förderaktivitäten entwickelt. Diese Unterrichtsaktivitäten können sowohl mit der ganzen Klasse als auch mit einzelnen Schüler:innen durchgeführt werden (vgl. Beispiel 1). Das vielseitige Förderangebot umfasst verschiedene fächerübergreifende und fachspezifische Förderaktivitäten, aus denen die Lehrpersonen bedarfsgerecht auswählen können (vgl. Beispiel 2). Dabei werden alle vorgeschlagenen Förderaktivitäten übersichtlich und komprimiert dargestellt sowie weiterführende Begleitmaterialien zur Verfügung gestellt. Die Entwicklung der Förderaktivitäten wurde gemeinsam mit dem Förderhub gestaltet und in den Begleitschulen im Unterricht getestet.

Digitale Anwendungsumgebung und Transfer

Um das Instrument zur Erfassung der überfachlichen Kompetenzen und die unterrichtlichen Förderaktivitäten alltagsnah und adressatengerecht für Lehrpersonen nutzbar zu machen, werden diese in einer digitalen Anwendungsumgebung abgebildet. Die eingegebenen Daten werden automatisch ausgewertet und in standardisierten, leicht verständlichen Rückmeldungen dargestellt. Auf Basis der Kompetenzeinschätzungen werden automatisch passgenaue Förderaktivitäten ausgewählt und präsentiert. Gleichzeitig ermöglicht die Anwendungsumgebung die Organisation und Administration der Beurteilungsanlässe sowie das Hinterlegen von Beobachtungsnotizen und die Verknüpfung mit den unterrichtlichen Förderaktivitäten. Durch die Einbettung in die kantonale Schulverwaltungssoftware pupil@sg sollen Erfassung, Förderung und Verwaltung der Daten systematisiert und erleichtert werden. 

Schulpraktisches Anwendungsbeispiel

Das Anwendungsbeispiel zeigt exemplarisch den Prozess für eine Einschätzung der sozialen Kompetenzen einer Schülerin für ein Standortgespräch mit anschliessender Förderung ab. Selbstverständlich können in der Praxis auch nur einzelne Elemente übernommen werden.

1. Vorbereiten

Frau Müller ist Klassenlehrperson an einer Primarschule in St.Gallen und möchte im nächsten Standortgespräch über die sozialen Kompetenzen ihrer Schülerin Sara berichten. Insbesondere bei Saras Kooperationsfähigkeit und Konfliktfähigkeit hat sie im Unterricht schon mehrfach Verbesserungsbedarf festgestellt. Sie plant, Saras Kompetenzen sowohl selbst zu beurteilen als auch durch Saras Mathematiklehrer, Herrn Schmidt, beurteilen zu lassen. Zusätzlich bittet sie Sara, sich mit dem Einschätzungsraster für Schüler:innen selbst einzuschätzen. Zunächst wählt Frau Müller in der Schulsoftware jene Teilkompetenzen aus, die den Kompetenzen Kooperationsfähigkeit und Konfliktfähigkeit zugeordnet sind und die sie für relevant hält: «Sich mit Menschen austauschen» sowie «Mit anderen zusammenarbeiten». Die so generierten Einschätzungsraster gibt sie für sich, Herrn Schmidt und Sara zur Bearbeitung frei.

2. Beobachten und Einschätzen

Frau Müller und Herr Schmidt beobachten Sara in den Wochen vor dem Standortgespräch gezielt während verschiedener Unterrichtsphasen und Gruppenarbeiten. Frau Müller notiert sich, dass Sara oft Schwierigkeiten hat, die Meinungen ihrer Mitschüler:innen zu akzeptieren und sich aktiv an Gruppendiskussionen zu beteiligen. Wenn Konfliktsituationen entstehen, bleibt Sara hingegen sachlich und geht mit Kritik angemessen um. Herr Schmidt hält fest, dass Sara im Mathematikunterricht zwar gut alleine arbeitet, aber Probleme hat, sich in Partnerarbeiten auf gemeinsame Lösungswege einzulassen. Mit Konflikten und Kritik geht sie gut um. Beide Lehrpersonen tragen die Ergebnisse ihrer Beobachtungen aus ihrem jeweiligen Fachunterricht im Einschätzungsraster mit der entsprechenden Ausprägung auf der fünfstufigen Skala ein. Mit der Kommentarfunktion halten sie weitere Beobachtungen schriftlich fest. Parallel dazu führt Sara ihre Selbsteinschätzung durch. Sie beurteilt ihre Fähigkeit, mit anderen zusammenzuarbeiten, deutlich höher als ihre Lehrpersonen. Auch ihre Selbstwahrnehmung in Konfliktsituationen fällt etwas positiver aus.

3. Analysieren und Besprechen

Alle Beurteilungen werden in der digitalen Anwendungsumgebung automatisch gespeichert und einander gegenübergestellt. Die Ergebnisse zeigen, dass die Fremdeinschätzungen von Sara durch die beiden Lehrpersonen weitgehend übereinstimmen: Sara hat eher Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit mit anderen, wohingegen ihr Umgang mit Konflikten und Kritik meist altersgemäss ist. Sara selbst sieht sich als deutlich teamfähiger als ihre Lehrpersonen und auch hinsichtlich ihrer Konfliktfähigkeit schätzt sie sich etwas positiver ein. Frau Müller druckt die grafische Ergebnisdarstellung aus, bespricht im Standortgespräch mit Sara und ihren Eltern die beobachteten Stärken und Schwächen und vergleicht diese mit Saras Selbsteinschätzung, wobei sie vor allem auch auf Abweichungen zwischen Selbst- und Fremdeinschätzung eingeht. Sara erhält im Gespräch die Gelegenheit, die Selbst- und Fremdeinschätzung zu reflektieren. Gemeinsam werden konkrete Förderziele definiert, um Saras Kooperationsfähigkeit zu stärken.

4. Förderaktivitäten auswählen, durchführen und dokumentieren

Auf Basis der Analyse wählt Frau Müller gezielte Förderaktivitäten aus, die Sara in den kommenden Wochen unterstützen sollen. Das digitale Werkzeug macht ihr dazu konkrete Vorschläge basierend auf den ausgewählten Teilkompetenzen, für die ein Förderbedarf festgestellt wurde. Dazu gehört z. B. eine Gruppenübung im Fachunterricht, bei der Sara die Verantwortung für die Einhaltung von Gruppenregeln übernimmt. Diese Aktivitäten werden in der Klasse umgesetzt und Sara erhält dabei gezielte Rückmeldungen zu ihrem Verhalten. Frau Müller dokumentiert den Fortschritt im digitalen Werkzeug und plant, die Ergebnisse nach einem halben Jahr zu überprüfen, um Saras Entwicklung über das Schuljahr hinweg weiter zu verfolgen. Mit der digitalen Anwendungsumgebung hat sie die Möglichkeit, die zwei Zeitpunkte zu vergleichen und die Entwicklung auch für Sara sichtbar zu machen.

Quelle: Rey, T., Hochweber, A.-C., Hilbe, R. & Dütsch, D. (2025). Entwicklung von Instrumenten und Materialien zur Diagnose und Förderung überfachlicher Kompetenzen auf Basis von Lehrplanvorgaben. In F. Locher, V. Unger, J. Hochweber und C. Brühwiler (Hrsg.), Studienbuch Empirische Bildungsforschung. Grundlagen und Relevanz für Ausbildung und Schule (S. 162-176). Klinkhardt.

Förderhub

Die enge Zusammenarbeit mit der schulischen Praxis ist für das Teilprojekt äusserst gewinnbringend. In einer ko-konstruktiven Vorgehensweisezwischen dem Teilprojektteam der PHSG und den Mitgliedern des Förderhubs und deren Begleitschulen, wird ein Instrument zur Erfassung überfachlicher Kompetenzen basierend auf dem Lehrplan Volksschule erprobt, unterrichtliche Förderaktivitäten entwickelt und im Unterrichtsgeschehen getestet sowie ein digitales Anwendungstool konzipiert, mit dessen Hilfe die Beurteilung und Förderung dieser Kompetenzen im Schulalltag ermöglicht werden sollen. Ziel ist es, die Bedürfnisse der Schulpraxis in allen Projektphasen einzubeziehen und Produkte zu entwickeln, die im Schulalltag einfach angewendet und unterstützend eingesetzt werden können.

Bis zum Ende der Projektlaufzeit im Dezember 2026 setzen sich die Mitglieder an acht physischen Treffen, dazwischenliegenden Arbeitsaufträgen und weiteren Online-Austauschmöglichkeiten intensiv mit den Projektbestandteilen und deren schulischen Passung auseinander. Daher gilt unser herzlicher Dank allen Mitgliedern des Förderhubs sowie weiteren Lehrpersonen und Schulleitungen an den Begleitschulen, die das Projekt erfolgreich machen.

Nachfolgend sind unsere Mitglieder des Förderhubs und deren Begleitschulen namentlich gelistet.

Neben der Zusammenarbeit mit den Mitgliedern des Förderhubs und deren Lehrpersonen und Schüler:innen aus den Begleitschulen, arbeitet das Teilprojekt 1b ebenso eng mit der Bildungsadministration sowie politischen Gremien zusammen. Der ganzheitliche Ansatz in der Zusammenarbeit stellt einen Gelingensprozess des Projekts dar.

Projektteam

Nachfolgend wird das Teilprojektteam der PHSG kurz vorgestellt.

Thomas Rey leitet am Zentrum Berufspraktische Studien (ZBPS-PHSG) den Bereich «Forschung & Entwicklung». Nach langjähriger Tätigkeit als Lehrperson und Schulleiter an einer Primar- und Sekundarschule, doktorierte er zum Thema «Adaptive Lehrkompetenz im Umgang mit Heterogenität» an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg. Seit 2022 ist er an der PHSG in Forschungsprojekten, der Lehre und als Mentoratsperson tätig. Im Teilprojekt «Überfachliche Kompetenzen» ist er Projektleiter.

https://proforis.phsg.ch/entities/person/046c9dd0-b1b0-4840-81c7-2ed0f16c2a13/details

Ann Christin Hochweber ist Leiterin der Fachstelle Evaluation und in der Wissenschaftsberatung (ZWIB-PHSG) sowie im Bereich der Kompetenzdiagnostik (IPP-PHSG) tätig. Nach dem Psychologiestudium arbeitete sie in verschiedenen Forschungs- und Evaluationsprojekten im Bildungsbereich und seit 2013 als wissenschaftliche Mitarbeiterin, Dozentin und Spezialistin für kompetenzorientierte Aufgaben- und Testentwicklung an der PHSG.

Im Teilprojekt «Überfachliche Kompetenzen» ist sie die Expertin für die Erfassung überfachlicher Kompetenzen und Instrumentenentwicklung.

https://proforis.phsg.ch/entities/person/2255e9b6-e1fe-4662-a7df-c6df1db989e3/details

Daniela Dütsch ist Bildungsexpertin mit fundierter Praxiserfahrung im Primarschulbereich und langjähriger Tätigkeit in der Bildungsaufsicht / Bildungsverwaltung. Sie absolviert das Studium «Master Early Childhood Studies» an der Pädagogischen Hochschule St.Gallen und Weingarten und ist seit 2016 als Mitarbeiterin an der PHSG in Forschungs- und Entwicklungsprojekten (nationale und internationale Bildungsstudien wie PISA & UEGK) sowie als Lehrbeauftragte im Mentorat tätig. Im Teilprojekt «Überfachliche Kompetenzen» ist sie die Expertin für die Förderaktivitäten im Unterricht.

Robert Hilbe ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Pädagogischen Hochschule St.Gallen. Er studierte Erziehungswissenschaft und Germanistik an der Universität Bern und promovierte nach seiner Assistenzzeit am Lehrstuhl für Pädagogische Psychologie zum Thema «Selbst organisiertes Lernen am Gymnasium». Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen selbstreguliertes Lernen, Lernmotivation, Digitalisierung und Literalität. Derzeit arbeitet er in mehreren Forschungs- und Entwicklungsprojekten und ist als Schreibberater am Zentrum Wissenschaftsberatung der PHSG tätig. Im Teilprojekt «Überfachliche Kompetenzen» ist er der Experte für die Umsetzung der digitalen Anwendungsumgebung.

https://proforis.phsg.ch/handle/20.500.14111/323

Zeitplan und Projektmeilensteine

Entsprechend der Teilprojektlaufzeit bis Dezember 2026 werden nachfolgend die wichtigsten Meilensteine in zeitlicher Reihenfolge dargestellt.

Thomas Rey

Projektleiter überfachliche Kompetenzen

Dozent

Zentrum Berufspraktische Studien


thomas.rey@phsg.ch

itbo.uefk@phsg.ch