«Was wir hier machen, sucht seinesgleichen»

«Was wir hier machen, sucht seinesgleichen»

Digitalisierung ist überall ein Thema in den Schulen. Programmleiter

Roger Trösch zeigt auf, wo die IT-Bildungsoffensive im Kanton St. Gallen einen Unterschied macht.

Interview von Philipp Landmark im Amtliches Schulblatt Extra, Oktober 2023


Was hat die ITBO bisher bewirkt, was ohne diesen Effort nicht geschehen wäre?

Roger Trösch: Die Digitalisierung macht vor keinem Lebensbereich halt, so gesehen hätte die Digitalisierung so oder so Einzug in die Schule beziehungsweise die Bildung gehalten. Aber was wir hier machen, sucht seinesgleichen. Wir haben mit der ITBO die Möglichkeit, grösser zu denken und die Digitale Transformation umfassend über alle Bildungsstufen und Bildungsorte anzugehen – und das proaktiv. Mit der ITBO erfüllen wir im Kanton St. Gallen nicht nur die Pflicht, sondern gehen zur Kür über.


Worin besteht diese Kür?

Im Schwerpunkt Volksschule zum Beispiel haben bereits vor der ITBO an vielen Orten engagierte Lehrpersonen und Schulleitungen an Digitalisierungsvorhaben gearbeitet. Mit der ITBO aber bringen wir diese nun zusammen und gemeinsam vorwärts. Wir gehen gesamtheitlich und partizipativ vor. Beispielsweise wurden in Zusammenarbeit mit der PHSG drei Szenarien erarbeitet, welche nun mit den Modellschulen strukturiert exploriert werden. So entsteht eine ungemeine Dynamik. Dafür hätten wir in der Volksschule unter normalen Voraussetzungen die Finanzmittel nicht gehabt. Vor allem in dieser Breite und Qualität wäre das ohne ITBO nicht möglich gewesen. Wir setzen darauf, dass diese Begeisterung vor Ort ansteckend ist und der Funke auf andere Schulen überspringt. Gelingt dies, dann ist Digitalisierung nicht etwas, das aus einem Elfenbeinturm heraus diktiert wird.


Sie haben ein übergeordnetes Ziel, überlassen aber die Entwicklung einzelnen Schulen?

Wir lassen die Lehrpersonen in den Modellschulen natürlich nicht allein, sie werden von der PHSG eng begleitet und erhalten substanzielle Unterstützung. So werden Entwicklungsprozesse angestossen und Inhalte generiert, die dann von anderen repliziert werden können.


Andere Schulen warten nun die Entwicklungsphase ab?

Nein, viele Schulen im Kanton möchten im Bereich Digitalisierung vorwärts machen und sich weiterentwickeln, und das können sie auch. Auf die von der PHSG entwickelten Szenarien hin konnten sich die Schulen als mögliche Modellschulen bewerben – wir hatten viel mehr Bewerbungen als wir berücksichtigen konnten. Der Bildungsrat, der im Kanton für Schulentwicklungsvorhaben verantwortlich ist, hat die Schulen ausgewählt – eine Mischung an grossen und kleinen, städtischen und ländlichen Schulen, damit der Kanton gut abgebildet ist. Bemerkenswert ist, dass mit der HPS Flawil auch eine Schule für Kinder mit einem Handicap berücksichtigt werden konnte.


Die nicht berücksichtigten Schulen machen jetzt ihr eigenes Ding?

Wir haben als neuestes Teilprojekt der ITBO dieses Jahr die Transfer- und Vernetzungsplattform zITBOx lanciert. Das war zuerst nur für die Modellschulen angedacht, doch nun ist es eine Transferplattform, wo sich Lehrpersonen aller Stufen, auch Mittelschulen und Berufsschulen, treffen, austauschen und voneinander profitieren können. Die Plattform soll auch als Multiplikator dienen. Gerade an der Digitalisierung interessierte Lehrpersonen anderer Schulen können hier aktuell mitverfolgen, was an den Modellschulen passiert, Anwendungsbeispiele übernehmen und weiterentwickeln. Sie agieren nicht im luftleeren Raum, sondern basieren auf Erfahrungen der Modellschulen und können sich ebenfalls einbringen.


Wie stellen Sie sicher, dass sich alle Schulen im Kanton mit den Themen der ITBO befassen?

In unserem föderalistischen System ist die lokale Schulentwicklung primär auch eine Kernaufgabe der Schulträger. Nicht nur das Durchführen der Schule nach Lehrplan, sondern auch das Weiterentwickeln von Schulqualität und Inhalt. Dabei werden sie unterstützt vom Bildungsrat und vom Amt für Volksschule. In meiner Wahrnehmung nehmen die Schulträger diese Verantwortung und Aufgabe durchaus ernst und setzen dafür auch entsprechende Ressourcen ein.


Die Weiterentwicklung der Schule bedingt eine Weiterbildung der Lehrpersonen.

Im Teilprojekt «Digitale Kompetenzen» des Schwerpunkts Volksschule haben wir zum Ziel, den Lehrpersonen Unterstützung zu bieten für die unaufhaltsame Digitale Transformation. Dazu haben wir im Rahmen der ITBO die modulare und digitale Weiterbildungsplattform «aprendo» entwickelt. Diese holt die Lehrpersonen dort ab, wo sie stehen, und gestattet es ihnen, sich nach den eigenen Bedürfnissen und in eigenem Tempo weiterzubilden. Aktuell stehen gut 40 der geplanten 100 Module bereit, die Plattform befindet sich noch im Aufbau und ist darauf ausgelegt, dass sie im Endausbau für jede Lehrperson, egal welcher Stufe und mit welchem Ausbildungsstand, spannende Module zur persönlichen Weiterentwicklung bereithält.


Für die obligatorische Weiterbildung gab es nicht nur Applaus.

Obwohl die Nutzendenzahlen von «aprendo» beeindruckend sind, wird die vom Bildungsrat vorgegebene Weiterbildungsverpflichtung von 30 Stunden verteilt auf sechs Jahre von einigen Lehrpersonen in der Tat als unnötige Zusatzbelastung empfunden. Es ist uns offensichtlich nicht vollumfänglich gelungen aufzuzeigen, dass sich die Schule – ob wir das nun wollen oder nicht – im Zuge der Digitalisierung verändern wird und «aprendo» ein Unterstützungsangebot darstellt. Auch ist es uns zu wenig gelungen, darauf aufmerksam zu machen, dass die sich im Aufbau befindliche Plattform noch nicht für alle Lehrpersonen aller Stufen ein adäquates Angebot bereithält und dass die verpflichtende Weiterbildung nicht zwingend bereits jetzt abgearbeitet werden muss. Daran werden wir arbeiten.


Die ITBO umfasst im Schwerpunkt Volksschule auch ein Teilprojekt für nicht-digitale Kompetenzen. Ist das ein Zückerli für die Digitalisierungs-Skeptiker?

Absolut nicht. Digitalisierung heisst nicht, dass wir den ganzen Lehrplan umkrempeln. Darum wollen wir auch genau die Kompetenzen des Menschen stärken, die eben nicht digitalisiert werden können. Im Teilprojekt «Überfachliche Kompetenzen» werden die 21st Century Skills – Kreativität, kritisches Denken, Kommunikation und Kollaboration – gefördert. Schon beim Skizzieren der IT-Bildungsoffensive kam man ganz schnell drauf, dass

es das braucht. 


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