Handreichung BL – Digitaler Lehr- und Lernraum

Digitaler Lehr- und Lernraum

Digitale Lernumgebungen gestalten Lernprozesse mit – bewusst oder unbewusst. Hier erfährst du mehr dazu.

Erkenntnisse aus den Modellschulen

Die Erfahrungen der ITBO-Modellschulen zeigen, dass eine gute Kenntnis digitaler Werkzeuge die Umsetzung von Blended Learning deutlich erleichtert. Besonders hilfreich ist es, wenn schulinterne Expertenteams neue Tools zunächst in einer Testphase erproben und bewerten, bevor sie im Unterricht breit eingesetzt werden.


Ein digitaler Lehr- und Lernraum (digitale Plattform) erwies sich insbesondere ab dem zweiten Zyklus als eine relevante Komponente für Blended Learning. Er bietet nicht nur einen einheitlichen Zugang zu digitalen Lernmaterialien, sondern kann auch für kollaborative Arbeiten hilfreich sein. Die Plattformen ermöglichen sowohl das Verteilen wie auch den Austausch von Unterrichtsmaterialien. Zusätzlich eröffnen integrierte Feedback- und Beurteilungswerkzeuge in Ton, (Bewegt-)Bild und Schrift niederschwellige Möglichkeiten der formativen und summativen Beurteilung.  

 

Die drei Modellschulen setzten unterschiedliche, teils zyklusspezifische Plattformen ein – darunter Padlet, Schabi, LearningView sowie Microsoft-365-Anwendungen wie etwa OneNote. 

Bei Interesse an den konkreten Umsetzungen empfiehlt sich ein Blick in die aufgeführten Beispiele aus den Modellschulen.

Beispiele aus den Modellschulen

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LearningView

Hier findest du Stories aus den Modellschulen rumd um den Einsatz von LearningView.

Schabi Eggersriet 3

Schabi

Hier findest du Stories aus den Modellschulen rumd um den Einsatz von Schabi.

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OneNote

Hier findest du Stories aus den Modellschulen rumd um den Einsatz von OneNote.

Guter Apfel RDZ Padlet

Padlet

Hier findest du Stories aus den Modellschulen rumd um den Einsatz von Padlet.

Der digitale Raum als «vierter Pädagoge»

Loris Malaguzzi, der Begründer der Reggio-Pädagogik, beschreibt drei Pädagogen im Unterricht: die Lehrpersonen, die Mitschüler:innen sowie den Raum, wobei Letzterer die Bedeutung der Lernumgebung und ihrer Gestaltung hervorhebt. Aufbauend auf diesem Konzept erweitert Döbeli Honegger (2022) die Perspektive um den digitalen Raum, den er als «vierten Pädagogen» bezeichnet. Digitale Angebote und ihre spezifischen Gestaltungsformen prägen den Lernprozess somit in ähnlicher Weise wie Lehrpersonen, Peers und der physische Raum. Döbeli Honegger (2022) unterscheidet dabei drei Ebenen des Einflusses: Aufmerksamkeit, Aufforderungscharakter und Ausschluss. 


Drei zentrale Wirkungsebenen

Digitale Lernumgebungen fungieren nach Döbeli Honegger (2022) nicht als neutrale Werkzeuge, sondern prägen – ebenso wie Lehrpersonen, Mitschüler:innen und der physische Raum – Lernprozesse bewusst wie auch unbewusst. Dabei unterscheidet er drei zentrale Wirkebenen des digitalen Raums:

Aufmerksamkeit (Attention)

Digitale Lernräume strukturieren, was sichtbar und relevant erscheint. Die Art und Weise, wie Informationen dargestellt werden, beeinflusst, worauf sich Lernende konzentrieren. Algorithmen, Layouts oder Benachrichtigungen lenken Aufmerksamkeit – mit möglichen Folgen für die Lernfokussierung und das Durchhaltevermögen.

Aufforderungscharakter (Affordance)

Digitale Tools und Plattformen geben vor, wie sie genutzt werden können. Ein interaktives Quiz etwa lädt zur aktiven Teilnahme ein, während eine Videovorlesung eher passiven Konsum begünstigt. Diese impliziten Nutzungserwartungen steuern das Verhalten und damit auch das Lernen.

Ausschluss (Exklusion)

Digitale Lernräume sind nicht für alle gleich zugänglich. Technische Hürden, sprachliche Komplexität oder inkompatible Endgeräte können dazu führen, dass bestimmte Lernende ausgeschlossen werden – ein Aspekt, der besonders bei der Gestaltung inklusiver Lernumgebungen zentral ist.

Für Lehrpersonen der Volksschule heisst das: Digitale Angebote sollten bewusst gestaltet und ausgewählt werden. Es geht nicht nur um Funktionalität, sondern darum, welche pädagogischen Wirkungen digitale Räume entfalten. Dabei spielen sowohl didaktische Überlegungen als auch Fragen der Zugänglichkeit, Usability und Medienkompetenz eine zentrale Rolle.

Anforderungen an die Gestaltung des digitalen Lernraums

Als «vierten Pädagogen» betrachtet, beeinflusst der digitale Raum das Lernen. Er erfordert eine bewusste und didaktisch fundierte Gestaltung. Die folgenden Anforderungen sollten dabei berücksichtigt werden: 

Struktur und Übersichtlichkeit

Der digitale Raum sollte klar strukturiert und leicht navigierbar sein, sodass Lernende intuitiv auf alle wichtigen Ressourcen zugreifen können. Dies erfordert eine logische Anordnung von Lerninhalten, Aufgaben und Kommunikationskanälen. 

Interaktivität und Kollaboration

Der digitale Raum kann Lernenden eine aktivere Rolle im Lernprozess eröffnen und ihnen Möglichkeiten zur Interaktion bieten. Kollaborationstools wie gemeinsame Dokumente, Foren oder Whiteboards können dabei den Austausch und die Zusammenarbeit zwischen den Lernenden unterstützen.

Individualisierung und Flexibilität

Ein möglicher Vorteil des digitalen Raums im Blended Learning liegt in der Chance zur Individualisierung von Lernprozessen. Lernende haben potenziell die Möglichkeit, in ihrem eigenen Tempo zu arbeiten und flexibel auf Materialien zuzugreifen. Zudem kann der digitale Raum personalisierte Lernpfade eröffnen, die unterschiedliche Lernbedürfnisse berücksichtigen.

Kontinuierlicher Zugang und Verfügbarkeit

Idealerweise stehen Lerninhalte und Ressourcen jederzeit zur Verfügung, sodass Lernende orts- und zeitunabhängig darauf zugreifen können. Dies kann die Eigenständigkeit fördern und Lernenden ermöglichen, Inhalte nach Bedarf zu wiederholen oder zu vertiefen. Eine solche kontinuierliche Verfügbarkeit lässt sich als wichtiger Aspekt verstehen, der den digitalen Raum in seiner Rolle als unterstützender ‚Pädagoge‘ hervorhebt.

Anregung zur Selbstreflexion

Der digitale Raum kann zudem Gelegenheiten eröffnen, den eigenen Lernfortschritt zu reflektieren. Digitale Tools wie Lernjournale, Feedback-Mechanismen oder automatisierte Lernstandsanalysen unterstützen Lernende dabei, ihre Fortschritte sichtbar zu machen und bei Bedarf gezielt an Herausforderungen zu arbeiten.

Medienkompetenz und Verantwortungsübernahme

Der digitale Raum kann nicht nur zur Vermittlung von Fachwissen beitragen, sondern auch zur Förderung von Medienkompetenz. Lernende sind dabei gefordert, digitale Werkzeuge verantwortungsvoll und zielgerichtet einzusetzen. Dieser Aspekt gilt als wesentlich, um den digitalen Raum als eigenständigen pädagogischen Akteur zu verstehen.

Literatur und Links

Hybrides Lernen: zur Theorie und Praxis von Präsenz- und Distanzlernen. (2021). Deutschland: Beltz.

Tools

Wichtig für Lehrpersonen ist das Ausprobieren und Erfahrungen sammeln mit verschiedenen Tools, um danach eine fundierte Auswahl fällen zu können.

Die Auswahl passender digitaler Werkzeuge prägt Blended Learning. Lernplattformen (LMS), Videokonferenzsysteme, kollaborative Anwendungen sowie formative Assessment-Tools eröffnen Spielräume für flexible Lernpfade und aktive Beteiligung.

In durchdachten Unterrichtseinheiten unterstützen sie selbstgesteuerte Phasen, kooperative Arbeit und kreative Produkte. Massgebend sind die didaktische Passung, eine intuitive Bedienung und Barrierefreiheit.

Ebenso zentral sind klare Regelungen zu Datenschutz und Datensicherheit, damit eine sichere Lernumgebung entsteht. 

Zur weiteren Vertiefung

Der App-Lernpfad, der Tool-Ideenpool zum Thema Lernprozessgestaltung und Beurteilung

Zwei hilfreiche Produkte sind während der Begleitung der Modellschulen entwickelt worden: Der App-Lernpfad und ein Ideenpool zum Thema Lernprozessgestaltung, Beurteilung und Feedback.

Der App-Lernpfad ist als Reiseleiter in die Welt der Apps, Lernsoftware und Lernplattformen konzipiert für Schulen, die mit Tablets ausgerüstet sind. Er richtet sich an alle PICTS, TICTS, Lehrpersonen und Schulleitungen, die im Alltag Unterstützung rund um Fragen zu Apps, Lernsoftware oder Lernplattformen suchen.

Für die Beurteilung und die Lernprozess-Gestaltung wurden von den Modellschulen verschiedene Tools eingesetzt. Diese wurden in einer Datenbank zusammengefasst.

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Der App-Lernpfad -ein Reiseleiter in die Welt der Apps & Co.

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Ideenpool zum Thema Lernprozessgestaltung, Beurteilung und Feedback

Ausrüstung

Die technische Ausrüstung spielt eine Schlüsselrolle für den Erfolg von Blended Learning. Dazu gehören nicht nur Computer oder Tablets, sondern auch leistungsfähige Netzwerke, interaktive Whiteboards und geeignete Software. Schulen müssen sicherstellen, dass alle Lernenden und Lehrpersonen Zugang zu entsprechendenRessourcen haben, auch wenn man nicht alle genannten Tools für eine Umsetzung von Blended Learning und für reibungslose Lernprozesse zur Verfügung haben muss. Dabei geht es nicht nur um Hardware, sondern auch um den kompetenten Umgang mit digitalen Werkzeugen, der durch entsprechende Schulungen gefördert werden sollte.

Die Handreichung «Einführung One-to-One-Computing in der Volksschule» soll Hilfestellungen bei der Einführung von 1:1 bieten:

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Handreichung zur Einführung von One-to-One-Computing in der Volksschule

Analoge Raumgestaltung

Blended Learning erfordert nicht nur digitale, sondern auch physische Lernräume, die das digitale Lernen unterstützen. Die Gestaltung dieser Räume sollte flexibel und anpassbar sein, um sowohl individuelle als auch kooperative Lernaktivitäten zu ermöglichen. Räume können beispielsweise in verschiedene Lernstationen unterteilt werden, an denen analoge und digitale Elemente miteinander kombiniert werden. Eine moderne Raumgestaltung berücksichtigt auch mobile Endgeräte und ermöglicht es Lernenden, sich zwischen verschiedenen Lernumgebungen zu bewegen, was ihre Autonomie und ihr Engagement stärken kann.